Mode-Auszeichnung
Silvia Ihring Mode
Serena Williams feierte auf dem Tennisplatz nicht nur sportliche Erfolge. Auch mit ihren Looks forderte sie Klischees über Frauen im Sport sowie die Regeln des Establishments heraus. Nun wird sie dafür als Ikone gefeiert.
Ein fliederfarbenes Tutu. Ein Minikleid mit Batikmuster. Glitzersteine und Korsagen. Ein Denimrock zum Nietentop. Ein weisser Trenchcoat, Leopardenmuster und Sneaker mit Diamantenbesatz. Nichts von diesen Dingen würde man in einem Tennismatch erwarten. Doch Serena Williams, einer der grössten Tennis-Stars aller Zeiten, hat all das schon getragen – und zwar nicht auf dem roten Teppich, sondern im Wettkampf.
Daran muss man jetzt wieder denken, da die 42-Jährige mit einem Preis ausgezeichnet wird, der ausnahmsweise mal nicht direkt etwas mit ihrer sportlichen Leistung zu tun hat. Auf den CFDA Awards an diesem Dienstag, der jährlichen Modepreisverleihung des amerikanischen Modeverbands Council of Fashion Designers of America, wird man Williams als erster Athletin überhaupt den «Fashion Icon»-Preis verleihen.
«Serena Williams ist das ultimative Beispiel für puren Individualismus, der sich in allem ausdrückt, was sie macht», sagte der Vorsitzende des Verbands, der Designer Thom Browne, zu der Entscheidung. Doch natürlich erhält Williams diesen Preis auch eben deshalb, weil sich ihr Individualismus in ihrem Look auf dem Tennisplatz ausdrückt, und das auf eine Weise, die komplett verändert hat, wie weibliche Tennisprofis gesehen und beurteilt werden.
Der traditionell sehr elitäre Sport hielt gerade bei Frauen an einem Stereotyp fest, dem sie sich zu fügen hatten, wenn sie erfolgreich sein wollten. Über die Jahrzehnte erkämpften sich Frauen, lange angeführt von Billie Jean King, mehr Geld, mehr Respekt und mehr Gleichberechtigung.
Doch es war Serena Williams, die mit ihren Auftritten andere Spielerinnen dazu ermutigte, ihre Persönlichkeit und ihre Individualität mit auf den Platz zu bringen und als Zeichen von Stärke zu sehen. Das Gespür für die Bedeutung eines Looks erwachte in ihr schon früh: Ihre Mutter fertigte auf der Vorlage von Schnittmustern ihre eigenen Kleidungsstücke an und brachte ihrer Tochter den Umgang mit der Nähmaschine bei, als diese gerade einmal drei Jahre alt war.
13 Jahre später wurden Williams und ihre Schwester Venus schon als grosse Tennishoffnung in der US-«Vogue» gefeiert, gekleidet in lange Roben von Carolina Herrera. Beide trugen ihre Haare damals geflochten und mit weissen Perlen verziert. Mit dieser Frisur gewann Serena Williams 1999 ihre ersten US Open. Ein Jahr später trug sie auf dem gleichen Turnier ein Batikkleid von Puma.
Williams Mode-Mut auf dem Platz beschränkte sich nicht darauf, einfach nur mit lauten Farben oder unerwarteten Mustern zu experimentieren. Je weiter ihre Karriere voranschritt, desto mehr reflektierten ihre Outfits ein starkes Bewusstsein für Design, für Trends und die Kunst, über beides eine Botschaft zu vermitteln.
Zunächst ging es bei dieser vor allem um Spass an Mode und die Lust, Neues auszuprobieren. Williams’erster massgefertigter Look von Nike aus dem Jahr 2004 (die Marke stattet sie seitdem aus) bestand aus einem Korsagengürtel, der über ein weisses Top getragen wurde, dazu trug sie ein Stirnband mit Glitzersteinen, die ihren Namen buchstabierten. 2005 führte sie erstmals einen selbstentworfenen Look vor, der in Zusammenarbeit mit Nike entstanden war.
Williams schmückte sich nicht nur gerne, sie hatte eine Meinung und eine Vision, die sie im Jahr 2018 zum ersten Mal in Form eines eigenen Labels namens S by Serena verwirklichte. Bei der Modenschau dazu auf der New York Fashion Week sass auch Anna Wintour, Chefredaktorin der amerikanischen «Vogue» und eine gute Freundin.
Williams hat nicht nur mehrmals das Cover des Magazins geschmückt, es waren Wintours Seiten, in denen sie im vergangenen Jahr ihren Rückzug aus dem Sport bekanntgab. Auch das sagt viel darüber aus, wie wohl sie sich in einem Umfeld fühlte, das sie für ihren Mut feierte, während die Tenniswelt oft skeptisch auf ihre Modelaunen blickte. Als Williams bei den French Open im Jahr 2018 in einem schwarzen Ganzkörperanzug antrat, weil sie nach der Geburt ihrer Tochter mit Blutgerinnseln zu kämpfen hatte, brachte sie damit die Führungsetage des Turniers gegen sich auf, weil sie gegen die Dresscodes des Spiels verstiess.
Doch sowohl Williams als auch viele Beobachter sahen in der Kritik ein weiteres Beispiel dafür, dass Frauen und ihre Körper viel mehr Kontrolle und unfairen Regeln ausgesetzt sind als Männer. Bei ihrem nächsten Spiel trug sie ein Tutu-Kleid, entworfen von ihrem Freund, dem verstorbenen Designer Virgil Abloh. Der feminine Entwurf, das komplette Gegenteil von dem schwarzen Catsuit, schien zu sagen: Ich ziehe an, was ich will, und bin euch darüber keine Rechenschaft schuldig.
Dass eine Frau, noch dazu eine schwarze Frau, auf diese Weise das Establishment eines Eliten-Sports herausfordert, kam bis zu dem Punkt praktisch nicht vor. Doch Serena Williams wusste: Wenn schon alle zuschauen, dann sollen auch alle mitbekommen, um was es mir geht. Natürlich ging es Williams ums Gewinnen und sportliche Erfolge. Aber eben nicht nur. Es ging auch um ihre Vorbildfunktion und das Durchbrechen von Grenzen, damit mehr Frauen und People of Color in diesem Sport Karriere machen können, ohne dafür ihre Identität zu unterdrücken.
Und natürlich schadet es nicht, dass nach dem Ende einer Sportkarriere eine zweite Leidenschaft bereitsteht, die viele Möglichkeiten eröffnet. Serena Williams wird sie nutzen, wenn sie Lust hat. Denn beweisen muss sie sich nicht – sie ist längst eine Mode-Ikone.
newsletter
Newsletter
Die besten Artikel aus «NZZ Bellevue», einmal pro Woche von der Redaktion für Sie zusammengestellt.